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Wie entstand eigentlich der Systembegriff?

Autorenbild: Özlem TaselÖzlem Tasel

Aktualisiert: 4. Feb.

Systemisch zu arbeiten bedeutet die Begebenheiten auf eine spezielle Art und Weise zu betrachten, zu denken und zu handeln. Wenn Therapeut*innen, Berater*innen, Supervisor*innen oder Sozialarbeiter*innen von „systemisch“ sprechen, bedeutet dies zumeist, bestimmte Muster in der Kommunikation von Angehörigen einer Gruppe, wie zum Beispiel einer Familie, einem Team oder einem Kollegium, zu analysieren. Schweitzer nennt es „die Betrachtung der Selbstorganisationsdynamiken“ (Schweitzer, Ochs und Schlippe 2007). In der Sozialen Arbeit, vor allem in den Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII, gilt der Systemische Ansatz mittlerweile als Gütekriterium und wird von den Fachkräften als zusätzliche Qualifizierung erwartet. In den Zertifizierungskursen werden die Methoden der Systemischen Praxis vermittelt und Fachkräfte probieren per „trial and error“ aus, was gut funktioniert. Meistens ist für die Fachkräfte jedoch nicht erkennbar, wie diese Ansätze entstanden sind und was für Denkprozesse dahinterstehen, was aber essenzielle Voraussetzung wäre, um bestimmte Methoden überdenken und gegebenenfalls modifizieren zu können. Deshalb setzen wir und hier mit dem Systembegriff auseinender.


Mit der Beschäftigung mit dem Systembegriff öffnet man die Büchse der Pandora und sprengt gewissermaßen sowohl den Rahmen hier als auch die Möglichkeit dieses Thema in Gänze gut zu erfassen. Deshalb ist das folgende Kapitel nur ein Anriss dieses hochkomplexen Themas und dient dazu sich der Bedeutung der Begrifflichkeiten anzunähern.

Die Systemtheorie mache keine klassische Einteilung der Wissenschaft in Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften, sondern betone deren gemeinsamen erkenntnistheoretischen Rahmen (vgl. Ritscher und Armbruster 2015, 22). Schlägt man im historischen Wörterbuch der Philosophie den Begriff System nach, dann sieht man, wie weitreichend und komplex und traditionsreich das Gebiet ist, mit dem man sich befasst. Schon Platon, Aristoteles, Kant, Hegel oder Buber haben sich mit dem Systembegriff auseinandergesetzt (Siehe Gründer 1999, 823-269).  Bei der Auseinandersetzung mit systemischen Handlungskonzepten geht es weniger um die Methodik, vielmehr geht ihr Wert „[…] aus ihrer Einbettung in die philosophische Frage nach dem Menschen als Teil eines großen Ganzen.“, hervor (Ritscher und Armbruster 2015, 22).

„Systema und System (Mitte 18. Jh.) Entlehnung von spätlat. systēma n., griech. sýstēma (σύστημα) ‘aus Einzelteilen zusammengefügtes und gegliedertes Ganzes.“ (System 1993).

Ein System wird als ein hypothetisches Konstrukt verstanden, in dem verschiedene Entitäten zueinander in Beziehung gesetzt werden. Das System kann dann wiederum zu sich selbst und/oder seiner Umwelt in einen wechselwirkenden Zusammenhang gesetzt werden. Durch eine genaue Untersuchung von Beziehungen lassen sich übergeordnete Muster herausarbeiten. Ein System kann somit als Ergebnis der Anwendung eines vom Betrachtenden gewählten Ordnungsprinzips verstanden werden. Die Beschreibung eines Systems ist abhängig von der Wahrnehmung des/der Betrachtenden und dessen Erkennen von Beziehungen und Mustern zwischen den Entitäten innerhalb und außerhalb des Systems.

Aus neurobiologischer Sicht setzt der Prozess des Wahrnehmens wiederum eine Kategorisierung und Zuordnung voraus, zum Beispiel neurobiologische Gedächtnisprozesse der verschiedenen Gehirnregionen. Objektive Gegebenheiten unterliegen notwendig den Bedingungen der interpretierenden und konstruierenden Wahrnehmung. In unserem menschlichen Dasein, mit dem Gehirn, welches uns zur Verfügung steht und welches auf eine bestimmte Art und Weise funktioniert, ist es uns nicht möglich, eine absolute Wahrheit wahrzunehmen. Denn unser „[…] visuelles System konstruiert […] etwas, das gar nicht vorhanden ist. Deshalb können Farbwahrnehmung und Bewegungswahrnehmung wie viele andere Wahrnehmungsinhalte keine Kopien realer Gegebenheiten sein.“ (Roth 1992, 41).

Das, was wir glauben wahrzunehmen, ist demnach das, was am Ende dieser Prozesse übrigbleibt und das ist für jede*n etwas anderes, schon allein, weil wir alle unterschiedlichen physiologischen Prozessen unterliegen.

Deshalb „[…] ist jeder Wahrnehmungsprozeß eine Hypothesenbildung über Gestalten, Zusammenhängen und Bedeutungen der Welt. Anders ausgedrückt: Die Art und Weise, wie im Prozeß der Wahrnehmung unsere Umgebung in bedeutungsvolle Gestalten und Geschehnisse gegliedert wird, ist eine Folge von Versuch und Irrtum, von Konstruktions- und Interpretationsversuchen, von Bestätigung und Korrektur.“ (Roth 1992, 48).

Daraus, dass ein System einen Ordnungsversuch der wahrgenommenen realen Gegebenheiten darstellt, ergibt sich theoretisch eine unendlich große Anzahl an Systemen. In jedem noch so großen oder kleinen Lebensbereich lassen sich Systeme postulieren, daher ist es nicht verwunderlich, dass sich in verschiedenen Wissenschaften mit dem Systembegriff auseinandergesetzt wird. Durch die unterschiedlichen fachspezifischen Perspektiven und Herangehensweisen, sind für den Systembegriff verschiedene Erklärungsmodelle entstanden. Zum Beispiel: 

Der Biologe Ludwig von Bertalanffy (1901-1972), auf den die allgemeine Systemtheorie zurückgeht und der anstrebte, die Entwicklung sozialer Systeme in ihrer Ganzheit zu verstehen. Er sei der Ansicht gewesen, dass das natur- und geisteswissenschaftliche Phänom bestimmten allgemeinen Prinzipien folge, so dass er eine allgemeine Systemtheorie allen Wissenschaften als Metatheorie zugrunde legen musste (vgl. Kolhoff 2002, 67).

Bertalanffy untersuchte lebende Zellen und ihre Transportsysteme. Er postulierte das „Fließgleichgewicht“, welches – im Gegensatz zu einem statischen Gleichgewicht – ein sich permanent bewegendes dynamisches Gleichgewicht ist.

„Die üblichen Formulierungen der Kinetik betreffen Reaktionen und Gleichgewichte, die in geschlossenen Systemen stattfinden, das heißt in Systemen, die keine Materie mit ihrer Umgebung austauschen, hingegen zeigt die elementare Tatsache des Stoffwechsels, daß lebende Systeme offene Systeme sind, die sich in einem ununterbrochenen Fluss und Austausch ihrer Komponenten erhalten.“ (Bertalanffy 1954, 86).

Es sei ein kybernetisches System, dessen Erhalt von komplexen, hemmenden oder fördernden Prozessen abhinge. Das Verhalten lebender Phänomene könne am besten als Ganzes und nicht als Teil verstanden werden. Biologische Einheiten können am besten als Systeme beschrieben werden (vgl. Bale 1995, 7).

Lüssi (vgl. 2001, 56) unterscheidet auch zwischen offenen und geschlossenen Systemen. Ein geschlossenes System sei eher ein physikalisches oder chemisches System, wohingegen offene Systeme zum Beispiel biologische, psychische, soziale und kulturelle seien, die man zudem nicht nur mit ihren Elementen, sondern auch mit sich selbst und ihrer Umwelt in Beziehung setzen könne. Sie stünden in ständiger Wechselwirkung und würden “einander interpretieren“, argumentiert er, den Theorien des Soziologen Talcott Parsons (1902-1979), folgend. (Hier wird deutlich, wie der Systembegriff von einem zum nächsten weitergegeben und modifiziert wird.) Parsons fand,

„[…] daß Systemgrenzen durchdringlich sind: System und Umwelt interpretieren einander. Ein System ist ein geordnetes Aggregat in einer fluktuierenden Umwelt, mit der es interagiert. Mit dem Systembegriff gelangt der Analytiker sogleich zu einigen Implikationen. Er kann solche wichtigen Fragen stellen wie z. B.: »Wie wird ein bestimmtes Maß an Ordnung ´gegen` Umweltfluktuationen aufrechterhalten?« und »In welcher Ordnung stehen die internen Systemkomponenten zueinander?«.“ (Parsons 1976, 73).

Für Parsons macht ein System aus, dass es stete wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Bestandteilen und Hergängen innerhalb eines Komplexes gibt und dieser Komplex wiederum in wechselseitiger Abhängigkeit mit seiner Umwelt steht (vgl. Parsons 1976, 275).

Folgende Abbildung veranschaulicht dieses Modell:

Abbildung 2 Darstellung eines Systems


Für den Soziologen Niklas Luhmann (1927-1998) ist es wichtig, dass ein System als identifizierbar innerhalb der Grenzen seines Sinnzusammenhangs steht:

„Soziale Systeme sind sinnhaft identifizierte Systeme. Ihre Grenzen sind nicht physischer Natur (obgleich natürlich physische Grenzen, etwa solche territorialer Art, Sinngrenzen symbolisieren können), sondern sind Grenzen dessen, was in Sinnzusammenhängen relevant sein kann.“ (Luhmann [1969] 1979, 256).

Der Physiologie-Professor Walter Cannon (1871-1945) benannte mit dem Begriff „Homöostase“ Selbstregulationsprozesse innerhalb eines biologischen Körpers. Cannon wäre bei der Erforschung dieser biologischen Regulationsvorgänge aufgefallen, dass Versuchstiere über verschiedene Regulationsmechanismen - heute als Resilienz-Prozesse bezeichnet - verfügen. Selbst Situationen, die zu einem Zusammenbruch der Balance hätten führen müssen, seien abgefedert worden. Homöostase sei also das „[…] dynamische Aufrechterhalten komplexer Gleichgewichte innerhalb enger Grenzen […]“ (Borck 2015, 473). Später hätte er das Prinzip der Homöostase auf einen perfekt funktionierenden Staat übertragen (vgl. Borck 2015, 473).

Um das Aufrechterhalten komplexer Gleichgewichte im weitesten Sinne geht es auch bei „dissipativen Strukturen“, mit denen sich der Chemiker Ilya Prigogine (1917-2003) beschäftigte.

Für den Soziologen Niklas Luhmann (1927-1998) ist es wichtig, dass ein System als identifizierbar innerhalb der Grenzen seines Sinnzusammenhangs steht:

„Soziale Systeme sind sinnhaft identifizierte Systeme. Ihre Grenzen sind nicht physischer Natur (obgleich natürlich physische Grenzen, etwa solche territorialer Art, Sinngrenzen symbolisieren können), sondern sind Grenzen dessen, was in Sinnzusammenhängen relevant sein kann.“ (Luhmann [1969] 1979, 256).

Der Physiologie-Professor Walter Cannon (1871-1945) benannte mit dem Begriff „Homöostase“ Selbstregulationsprozesse innerhalb eines biologischen Körpers. Cannon wäre bei der Erforschung dieser biologischen Regulationsvorgänge aufgefallen, dass Versuchstiere über verschiedene Regulationsmechanismen - heute als Resilienz-Prozesse bezeichnet - verfügen. Selbst Situationen, die zu einem Zusammenbruch der Balance hätten führen müssen, seien abgefedert worden. Homöostase sei also das „[…] dynamische Aufrechterhalten komplexer Gleichgewichte innerhalb enger Grenzen […]“ (Borck 2015, 473). Später hätte er das Prinzip der Homöostase auf einen perfekt funktionierenden Staat übertragen (vgl. Borck 2015, 473).

Um das Aufrechterhalten komplexer Gleichgewichte im weitesten Sinne geht es auch bei „dissipativen Strukturen“, mit denen sich der Chemiker Ilya Prigogine (1917-2003) beschäftigte.

Er beschreibt mit dem Konzept der „dissipativen Strukturen“ die Entwicklung von Systemen, die durch die Aufgabe stabiler Zustände eine neue Ordnung schaffen, welche einen neuen stabilen Zustand bedingen. Mit diesem Konzept wurde eine neue Sicht der Beziehung von Ordnung und Chaos möglich. Eines der wichtigsten Prinzipien der Gleichgewichtsthermodynamik sei das Prinzip von der Vermehrung der Entropie. Mit Entropie ist eine Zustandsgröße in der Thermodynamik gemeint, die den Ausgleich aller Temperatur-, Druck- und Konzentrationsunterschiede, also „Dissipationsprozesse“ innerhalb eines Systems betitelt (vgl. Böcher 1996, 146). Der Physiker Richard Becker (1887-1955) sah darin später das Maß für die Unkenntnis der Zustände aller einzelnen Teilchen (vgl. Becker und Ludwig [1966] 1978, 253).

Wird einem System also etwas weggenommen oder hinzugefügt, entwickeln sich Systeme zu einem einheitlichen Endzustand hin. Prigogine bewies nun, dass „dissipative Strukturen“ entropische Unordnung nicht über einen kritischen Punkt hinaus zulassen und sich deshalb plötzlich in Form von Strukturen höherer Ordnung neu bilden,

„[…] in denen sich Entropie paradoxerweise durch Erlangung eines nicht-reversiblen Zuwachses an Komplexität umkehrt. Es ist dies ein Erklärungsansatz, in dem Entropie sich - sozusagen als Katalysator von Komplexität oder höherer Ordnung und Ungleichgewicht - als eine Quelle von Ordnung darstellen.“ (Böcher 1996, 147). (Um diese Zustand zu erlangen, brauchen „dissipative Strukturen“ fortwährend Energiedurchfluss.)

Prigogine bewies sehr vereinfacht gesagt, dass Nicht-Gleichgewicht eine Quelle von Ordnung sein kann. [„Besonders bemerkenswert ist bei all diesen Phänomenen, dass das tatsachliche Verhalten des Systems, d.h. der Eintritt eines ganz bestimmten Zustandes im Rahmen der Systementwicklung, von der vorangegangenen Systemgeschichte abhängt. Dass das bei biologischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen der Fall ist, mag nicht weiter erstaunen. Geradezu sensationell erscheinen aber Untersuchungsergebnisse, die belegen, dass die System-Vorgeschichte offensichtlich auch bspw. bei einfachen chemischen Prozessen eine bedeutsame Rolle spielt.“ (Böcher 1996, 153).]

Für seine Studien zur irreversiblen Thermodynamik erhielt er 1977 den Nobelpreis für Chemie.

Der Mathematiker Norbert Wiener (1894-1964) prägte den Begriff der Kybernetik.  Wiener wäre auf vielen Wissensgebieten bewandert gewesen, was es ihm ermöglicht hätte, seiner Zeit voraus, Zusammenhänge in Mathematik, Zoologie, Logik und Philosophie zu erkennen und daraus neue Theorien zu entwickeln (vgl. Urbig 2001, 3). Er untersuchte Flugabwehrkanonen, weil er durch die Analyse der Rückkoppelungsprozesse, die Genauigkeit der Waffen erhöhen wollte. Dann erkannte er Parallelen zum menschlichen Verhalten, wo es auch Rückkoppelungsprozesse gibt. Allerdings fehlten ihm die Worte, diese in Maschinen und lebenden Menschen gleichsam ablaufenden Prozesse, zu beschreiben.

Er betrachtete also nicht nur Rückkoppelungsprozesse, sondern wollte auch eine neue Sprache entwickeln, mit der man die beobachteten Prozesse in unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen beschreiben kann:

„Es erwies sich als unentbehrlich, eine Terminologie zu finden, die auf diese zwei Arten von Problemen anwendbar war, wenn man eine Reihe neuer Ideen einführen wollte, die sich auf die Gemeinsamkeit bestimmter Vorgänge in menschlichen wie technischen Organismen bezogen. Aus diesem Grund habe ich dann auch den neutralen, neogriechischen Ausdruck Kybernetik gewählt, vom griechischen kybernetes=»Steuermann« kommend […]“ (Wiener 1967, 11).

Zusammen mit Bigelow veränderte er zudem den Begriff des Verhaltens, indem er das ursprüngliche Input/Output durch Rückkoppelung um die Komponente der inneren Verarbeitung erweiterte (vgl. Urbig 2001, 5–6). Daraus entwickelte sich die wissenschaftliche Forschungsrichtung der Kybernetik, „Kybernetik also ist die Lehre von Informationsübertragung und Kontrolle bei Maschinen und auch bei Lebewesen“ (Wiener 1967, 12), auf die sich auch Bateson bei seinen Forschungen immer wieder beruft.

Auf die Arbeit des Anthropologen und Biologen Gregory Bateson (1904-1980), wird in Kapitel 2.4 und 3 explizit eingegangen. Insbesondere das Konzept der Schismogenese Batesons, wird von Lutterer als eine „[…] erste vorkybernetische Regeltheorie, in der bereits positive Rückkopplungsprozesse vorweggedacht wurden […]“, also noch bevor Wiener seine Flugabwehrkanonen untersuchte, angesehen (Lutterer 2016, 207).  Bateson hat eine außergewöhnliche intellektuelle Bandbreite vorzuweisen, sein beruflicher Werdegang führte ihn, angefangen mit seinem Abschluss in Zoologie, durch viele unterschiedliche Stationen: Seine Arbeit auf Neuguinea und Bali, wo er wichtige Erkenntnisse über sich gegenseitig aufschaukelnde dysfunktionale Kommunikationsmuster gewann, die Zusammenarbeit mit dem OSS (später CIA), der Teilnahme an den für die Kybernetik wichtigen „Marcy-Konferenzen“, bis hin zu seiner Arbeit am Mental Research Institut. Er hätte sich zudem mit Kommunikationstheorie beschäftigt und ein Mehrebenenmodell des Lernens entwickelt (vgl. Schlippe und Schweitzer 2012, 96). Bateson bringt Systemtheorie und Kybernetik in die Sozial- Humanwissenschaften ein.

Erkenntnis in der Systemischen Therapie ist eine Konstruktion von Wirklichkeit. Die grundlegende Operation der Wirklichkeitskonstruktion ist die Bildung von Unterschieden. Unterschiede können nur gebildet werden, wenn sie im Bereich der Wahrnehmung liegen, also von Sinnesorganen differenziert werden können. Wenn ein Mensch einen Unterschied wahrnimmt, geschieht dies immer gefiltert durch das jeweilige Sinnesorgan und die höhere Verarbeitung der Reize im Gehirn. Deswegen ist Erkenntnis im systemischen Sinne immer subjektiv.

Maßgeblich für das systemische Denken ist die Änderung der Betrachtungsweise von einer objektiven zu einer wissenschaftlich wurzelnden Erkenntnis.

Durch die Verknüpfung von Unterschieden können wahrgenommene Phänomene erklärt werden. Das ist die zweite maßgebliche Operation der Wirklichkeitskonstruktion im systemischen Sinne. In einem dritten Schritt können nun Erklärungen bewertet werden. Als Bewertungsmaßstab wird die sogenannte Viabilität, d.h. Praxistauglichkeit der Erklärungen herangezogen. Jede einzelne Erklärung kann jedoch keinen Anspruch auf Objektivität erheben. Es könnte immer auch andere Erklärungen geben. In dieser Feststellung liegt einer der großen Ansatzpunkte der Systemischen Therapie (vgl. Capra 1996, 51–59). (Zum Beispiel setzt die Methode des Reframings genau hier an. In der Therapie geschilderte Probleme sind Bewertungen von Erzählungen und Beobachtungen im oben genannten Sinne.)

Quellen:

Bale, Lawrence S. 1995. „Gregory Bateson, Cybernetics, and the Social/Behaviaral Sciences.“ Cybernetics and Human Knowing (1): 1–41.

Becker, Richard und Wolfgang Ludwig. (1966) 1978. Theorie der Wärme 10. Berlin, Heidelberg: SPRINGER.

Bertalanffy, Ludwig von. 1954. „Das Fließgleichgewicht des Organismus.“ Kolloid-Zeitschrift 139 (1-2): 86–91. https://doi.org/10.1007/BF01502328

Böcher, Wolfgang. 1996. „Ilya Prigogine: Die dissipativen Strukturen.“ In Selbstorganisation, Verantwortung, Gesellschaft: Von subatomaren Strukturen zu politischen Zukunftsvisionen, hrsg. von Wolfgang Böcher, 146–54. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Borck, Cornelius. 2015. „Die Weisheit der Homöostase und die Freiheit des Körpers. Walter B. Cannons integrierte Theorie des Organismus.“ 174 KB, 472–77. https://zeitgeschichte-digital.de/doks/files/1469/ZF_3_2014_472_477_Borck.pdf. Zugriff am 01.02.25.

Capra, Fritjof. 1996. Lebensnetz: Ein neues Verständnis der lebendigen Welt. 2. Aufl. Bern: Scherz.

Gründer, Karlfried, Hrsg. 1999. Historisches Wörterbuch der Philosophie 10. Basel: Schwabe.

Kolhoff, Ludger. 2002. „Schlüsselbegriffe des systemischen Sozialmanagements.“ In Angewandte Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen sozialer Arbeit, hrsg. von Herbert Bassarak, 65–78 56. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.

Lüssi, Peter. 2001. Systemische Sozialarbeit: Praktisches Lehrbuch der Sozialberatung. Bern: Haupt.

Luhmann, Niklas. (1969) 1979. „Moderne Systemtheorien als Form gesamtgesellschaftlicher Analyse.“ In Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? hrsg. von Theodor W. Adorno, 253–66 16. Vaduz: Topos Verl.

Lutterer, Wolfram. 2016. „Eine kybernetische Systemtheorie: Wolfram Lutterer über Gregory Batesons, „Steps to an Ecology of Mind“ (1972).“ In Schlüsselwerke der Systemtheorie, hrsg. von Dirk Baecker, 205–16. Wiesbaden: Springer VS.

Parsons, Talcott. 1976. Zur Theorie sozialer Systeme. Edited by Stefan Jensen. Studienbücher zur Sozialwissenschaft 14. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Ritscher, Wolf und Jürgen Armbruster. 2015. Systemische Modelle für die Soziale Arbeit: Ein integratives Lehrbuch für Theorie und Praxis. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme-Verl.

Roth, Gerhard. 1992. Aus Sicht des Gehirns 1915. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Schlippe, Arist von und Jochen Schweitzer. 2012. Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I: Das Grundlagenwissen. Göttingen, Bristol, CT, U.S.A. Vandenhoeck & Ruprecht.

„System.“ 1993. In Etymologisches Wörterbuch des Deutschen: Digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, hrsg. von Wolfgang Pfeifer und et al. https://www.dwds.de/wb/System. Zugriff am 01.02.2025.

Urbig, Diemo. 2001. Norbert Wiener 1894 -1964. St. Johan. Zugriff am 01.02.2025. http://www.diemo.de/projects/nwiener/nwiener.pdf.

Wiener, Norbert. 1967. „Beginn und Aufstieg der Kybernetik.“ In Grundfragen der Kybernetik, hrsg. von Otto W. Haseloff, 9–13. Forschung und Information. Berlin: Colloquium.




 
 
 

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